
Heute: Prof. Tobias Teich, Professor für Vernetzte Systeme der Betriebswirtschaft, insb. Energiemanagement an der Westsächsischen Hochschule Zwickau, wissenschaftlicher Projektleiter des Projekts ZED
Mit der Rubrik „Projektpartner näher vorgestellt: 5 Fragen an…“ werden im ZED-Blog regelmäßig die Projektpartner und ihre Perspektiven auf das Projekt durch kleine Interviews mit ausgewählten Repräsentanten der Partner näher vorgestellt. Das dritte Gespräch wurde mit dem Inhaber der Professur für Vernetzte Systeme der WHZ, Prof. Tobias Teich, geführt. Er hat im Projekt die wissenschaftliche Leitung inne. Inhaltlicher Schwerpunkt der Westsächsischen Hochschule innerhalb des Projektes bildet der Betrieb elektrisch-thermischer Verbundsysteme zur Null-Emissions-Versorgung von Wohnquartieren. Prof. Teich und sein Team leisten im Projekt insbesondere einen Beitrag zur gewerkeübergreifenden Vernetzung und zum nutzergerechtem Informationsmanagement vom Erzeuger bis zum Verbraucher im Quartier.
1. Herr Prof. Teich, vielen Dank für Ihre Bereitschaft für das kurze Gespräch. Das Projekt ZED knüpft an zahlreichen Forschungsprojekte im Bereich der Stadtentwicklung, Technologieentwicklung und Demonstration von zukünftigen Energiesystemen an, die Sie und Ihr Team in den letzten Jahren begleiten konnten. Was unterscheidet das Projekt ZED von den bisherigen Forschungsarbeiten?
Teich: Der ganzheitliche Ansatz des Projekts macht das Projekt zu etwas Besonderem. Bisherige Projekte haben sich meist mit den spezifischen Problemen der Elektrizitäts- und der Wärmeversorgung beschäftigt, das Projekt ZED bringt beide Aspekte der Energieversorgung zusammen und vernetzt diese auch mit Hilfe digitaler Unterstützung. Dieser holistische Ansatz eröffnet so vollkommen neue Perspektiven bei der Entwicklung zukunftsfähiger Versorgungsinfrastrukturen. Darüber hinaus wurde auch die Nutzerperspektive um generelle Aspekte der Wohnquartiersentwicklung und somit auch das soziale Zusammenleben der Bewohner unseres Untersuchungsquartiers in das Projekt integriert. Dieser Umstand macht das Projekt ZED zu etwas Besonderem, bei dem wir unsere Qualitäten zur interdisziplinären Zusammenarbeit beweisen können. Nicht zuletzt das Projektvolumen und die große Anzahl aktiv mitarbeitender Partner machen das Projekt zu einer echten Herausforderung.
2. Zentrale Projektthemen wie Klimaschutz und die Energiewende bestimmen zunehmend die aktuellen Diskussionen über alle politischen und gesellschaftlichen Schichten hinweg. Ist ZED eine Folge dieser Diskussion oder findet die Arbeit am Projekt unabhängig davon statt?
Teich: Im Gegenteil – das Projekt wurde bereits vor 3 Jahren konzipiert und beantragt, als die öffentliche Diskussion lediglich am Rande zentraler Themen stattfand und fast ausschließlich durch Expertenrunden getragen wurde. Im Verlauf des vergangenen Jahres, mit Aufkommen der Fridays-for-future-Bewegung auch in unserer Stadt konnten wir Ergebnisse präsentieren, die die aktuellen Ansätze und Forderungen zur klimaneutralen und dennoch bezahlbaren Energieversorgung auch für zukünftige Generationen sichert. Seither konnten wir unserem Anspruch gerecht werden, die technischen Lösungen nicht nur zu entwickeln, sondern auch einer breiten Öffentlichkeit zu demonstrieren. Die enorme Komplexität der Faktoren, welche die Energieversorgung bestimmen, können bei uns im ubineum anhand eines Demonstrators anschaulich dargestellt und erklärt werden – ein Umstand, der unser Projekt von allem Bisherigen abhebt. Die von unseren Partnern und uns entwickelten Konzepte und Lösungen sollen ja gerade auch in der Öffentlichkeit diskutiert und mitentwickelt werden, nur so erreichen wir Akzeptanz in der Bevölkerung, wenn die Wissenschaft nicht nur hinter verschlossenen Türen im Elfenbeinturm, sondern sozusagen zum Anfassen stattfindet. Ein ganz wichtiges Anliegen ist es uns auch, bei aller technischen Entwicklung und dem allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs auch die Betroffenen – die Bewohner Marienthals in die Entwicklung mit einzubeziehen.
3. Da sie gerade die Bewohner des Quartiers ansprechen, welche ja sicherlich Bedenken dazu hegen, was in Marienthal passieren soll: Wie kann man die Einwohner in so ein Projekt, bei dem ja vordringlich technische Entwicklungen und Änderungen im Mittelpunkt stehen, einbinden?
Teich: Zunächst haben wir uns gemeinsam mit den Projektpartnern – dem Vermieter GGZ, dem Sozialdienstleister Johanniter Unfallhilfe e.V. und den Kollegen der Ludwig-Maximilians-Universität in München – Gedanken zur Struktur und zur generellen Einordnung des Quartiers in den Projektzusammenhang gemacht. Bereits in der Vergangenheit konnten wir die einzelnen Aspekte der Energieversorgung in Marienthal im Rahmen anderer Projekte betrachten und wichtige Erkenntnisse für das Projekt ZED einfließen lassen. Im Anschluss an die Analyse wurden durch die Projektpartner Interviews mit wichtigen Vertretern der Stadt, der Öffentlichkeit und auch der Bewohnerschaft Marienthals geführt, in denen sie die Möglichkeit hatten, wichtige Themenschwerpunkte anzusprechen und sich zu den Gegebenheiten im Quartier zu äußern. Die Erkenntnisse aus diesen Interviews ließen den Schluss zu, dass auch in Marienthal viel Potential zur Umsetzung klimaschonender Maßnahmen existiert. Gleichzeitig existieren jedoch auch viele Vorbehalte gegenüber der aktuellen Diskussion, da keine Dringlichkeit gesehen wird, etwas im Bereich Wärme- und Stromversorgung zu verändern. Nicht zuletzt deshalb möchten wir auch das Projekt dazu nutzen, das Bewusstsein bei den Bewohnern auch zu schärfen, dass sich im Zuge der Debatten und Entwicklungen die Dinge ändern werden und ein „weiter so!“ nicht möglich sein wird.
4. Sie sprechen häufig von Digitalisierung und Zukunftstechnologien, was ein „weiter so!“ nicht möglich erscheinen lässt. Bitte helfen Sie uns, das in ihren persönlichen und in den Projektzusammenhang einzuordnen.
Teich: Ich bin von Haus aus Informatiker, von 1987 bis 1992 habe ich in Chemnitz studiert. Anschließend habe ich ergänzend ein wirtschaftswissenschaftliches und ein Berufspädagogik-Studium absolviert. Parallel dazu arbeitete ich in Chemnitz an der TU als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Doktorand und wissenschaftlicher Assistent. Meine Doktorarbeit und meine Habilitation erfolgten ebenfalls an der TU Chemnitz. Seit 2002 habe ich den Mittelpunkt meines Wirkens nach Zwickau verlegt. Bereits in dieser Zeit beschäftigte ich mich intensiv mit Vernetzung und dem Zusammenwirken wirtschaftlicher Vorgänge und der Bedeutung von Informationen in diesem Bereich. Daraus erwuchs über die Zeit auch eine enge Zusammenarbeit mit wohnungswirtschaftlichen Unternehmen, die in mehreren Forschungsprojekten zum Thema Energieersparnis durch Vernetzung von Anlagen, Erzeugern und Abnehmern mündeten. Im Zuge dieser Arbeiten sind häufig Schnittstellen zu umliegenden Themenbereichen aufgetaucht, welche im Gesamtzusammenhang bereits seit vielen Jahren bearbeitet und entwickelt werden – aktuell bezeichnet man diese Entwicklungen auch als Digitalisierung.
5. Vielleicht schauen Sie mit uns in die Kristallkugel – wo sehen Sie Zwickau und Marienthal in 20 Jahren?
Teich: Wenn es uns gelingt – und davon bin ich überzeugt – die Quartiersbewohner auf den Weg in Richtung einer zukunftsorientierten und nachhaltigen Energieversorgung mitzunehmen, wird Marienthal beispielgebend für die gesamte Region sein. Die konzipierten und etablierten Lösungen, welche eine Nullemissionsversorgung in Marienthal gewährleisten sollen, sind so angelegt, dass sie ohne neuen Forschungsaufwand in andere Wohnsiedlungen übertragen werden können. So könnte zum Beispiel auch Neuplanitz oder Eckersbach bei gleichbleibenden Heizkosten klimafreundlich mit Heizenergie versorgt werden. Wir wollen mit dem Projekt ZED die beteiligten Partner und auch die Öffentlichkeit davon überzeugen, dass es auch ohne Einbußen in den Bereichen Finanzen oder Komfort möglich ist, nachhaltig und emissionsfrei zu heizen. Darüber hinaus erproben wir Ansätze, die es erlauben sollen, Wohnungen auch ohne zusätzliche Technik in den warmen Monaten zu kühlen. In meiner Vision ist Zwickau ein Leuchtturm in Sachen Klimaschutz, wobei alle Beteiligten zufrieden mit der erreichten Lösung sind und weiter an innovativen Konzepten für effiziente Energieversorgung tüfteln.
Zur Person:
1987 bis 1992 Informatikstudium, bis 1993 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz in der Fakultät für Informatik an der TU Chemnitz-Zwickau, 1992 bis 1995 wirtschaftswissenschaftliches Aufbaustudium mit den Schwerpunkten Produktionswirtschaft und Marketing, 1995 bis 2002 Magisterstudium mit dem Hauptfach Berufspädagogik, bis 1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Produktionswirtschaft und Industriebetriebslehre. Dissertation 1998, bis 2002 wissenschaftlicher Assistent an der TU Chemnitz, Habilitation 2003, seit 2002 an der Westsächsischen Hochschule Zwickau tätig.
Fach- und Forschungsschwerpunkte:
Leitstände
ERP-Systeme
SCM-Systeme
Produktionsnetzwerke
Software Engineering
(Quelle: WHZ, AIIS)